Interview zum 10-jährigen Jubiläum

Fritz May

Dr. h.c. Fritz May

Herr Dr. h.c. Fritz May hat sich freundlicherweise unserer Fragen zum 10-jährigen Jubiläum gestellt. Er berichtet über die Vision, ein solches Institut gründen zu wollen und wie es dann später dazu kam. Herr May gibt Hintergrundinformationen, wie er die nötigen Spenden dazu auftreiben konnte. Auch erläutert er die Situationen in den Gemeinden in Bezug auf die Israelogie und äußert seine Wünsche für die Zukunft. Lesen Sie im Folgenden ausführlich seine aufschlussreichen Antworten:

1. Herr Dr. Fritz May, wie kamen Sie persönlich als EFG-Pastor dazu, sich für Israel und das Judentum zu interessieren?

Zunächst möchte ich im Namen der Arbeitsgemeinschaft Christen für Israel herzlich gratulieren zum 10-jährigen Bestehen des Instituts für Israelogie an der FTH in Gießen unter der bewährten Leitung von Pfr. Dr. Berthold Schwarz.
Mein besonderes Interesse für Israel entstand nach meinem Theologiestudium als junger Gemeindepastor durch die Beschäftigung mit der Biblischen Prophetie als be-sonderer Teil der Eschatologie. Davon beziehen sich etwa 24.000 (Zweidrittel!) auf die Welt-, Heils-, und Endgeschichte des Volkes und Landes Israel.
Das hat mich dazu veranlasst, damit näher und intensiver in Predigten und Vorträgen und mehr als ein Dutzend Büchern zu befassen. Das stieß bei meinen Zuhörern und Lesern auf eine ungewöhnlich große Resonanz und Akzeptanz. Auch heute noch.

2. Wie kamen Sie dazu, das Werk “Christen für Israel” (CfI) zu gründen, in einer Zeit (um 1980), wo doch noch verhältnismäßig wenige Christen sich ernsthaft für Israel engagierten oder für Israelthemen interessierten?

Nein, das stimmt so nicht. Es gab vielmehr um 1980 und dem Jahrzehnt danach ein großes Interesse unter immer mehr Christen und in vielen Gemeinden, sich ernsthaft über Israel zu informieren und für Israel zu engagieren.
Im Frühjahr 1980, als ich noch beim Evangeliums-Rundfunk (heute ERF) als Rundfunklektor, Journalist und theol. Publizist tätig war, bekam ich von Gott eine klare innere Berufung mit anderen Christen und Israelfreunden die Arbeitsgemeinschaft Christen für Israel zu gründen. Unser Freundeskreis wuchs im 1. Jahrzehnt von anfänglich 800 auf mehr als 50.000 in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

3. Wie kam es dazu, dass Sie mit Hilfe von Freunden aus dem Umfeld von CfI die Stiftungssumme zur Gründung des Instituts bewilligen konnten, damit das Institut im Jahr 2004 gegründet werden konnte?

Zu unseren Hauptaufgaben gehörte von Anfang an die Information über Israel, die Kommunikation mit Christen, Juden und messianischen Juden und die Durchführung religiöser, mildtätiger und gemeinnütziger Hilfsprojekte in Israel, wofür wir Spendengelder sammelten, darunter auch für ein zu gründendes Israelinstitut in Deutschland. Dafür konnten wir insgesamt 1 Mio. Euro als Stiftungskapital zur Verfügung stellen.

4. Wie waren die ersten Schritte der Gründung? Was waren Ihre Hoffnungen für diese Gründung?

Die Gründung des Instituts für Israelogie geht auf eine langjährige „Vision“ von mir zurück, die später Prof. Dr. Helge Stadelmann von der FTH mit mir teilte. Im Wissen darum, dass Israel ein zentrales Thema des Alten und Neuen Testaments ist, und es bis dahin keine systematische auf die ganze Bibel und ihre Endzeit-Prophetie begründete erforschte heils- und endgeschichtliche „Lehre von und über Israel“ (Israelogie) gab. Was zu einer verhängnisvollen Entwicklung zwischen Christentum und Judentum in den vergangenen 2000 Jahren führte und sich bis heute im Antijudaismus, Antisemitismus und Antiisraelismus äußert.
Die Gründung eines Instituts für Israelogie wurde deshalb zu einem zwingend notwendigen Novum und fand sehr schnell großes Interesse und Zustimmung im In- und Ausland. Verbale Reaktionen sowohl von christlicher als auch von jüdisch-messianischer Seite waren: „Revolutionär“, „Bahnbrechend“, „Einzigartig in der Geschichte des Christentums“, „Eine echte historische Initiative von endzeitlicher Bedeutung“. So und ähnlich lauteten die Aussagen.

5. Wieso ist Ihrer Meinung nach die theologische Grundlagenarbeit des Israel-Instituts in Gießen wichtig?

Weil für Christen und die Gemeinde Jesu kein Weg an Israel vorbei geht. Denn: Ohne Juden gäbe es keine Christen! Ohne Synagoge keine Gemeinde Jesu Christi! Ohne Judentum keine messianischen Juden! Ohne Israel keine Zukunft! Der bedeutendste jüdisch-christliche Theologe Paulus schrieb in Römer 11, 18. Dem Christen ins Stammbuch: „Nicht du trägst die Wurzel (=Israel), sondern die Wurzel trägt dich!“

6. Wie schätzen Sie die Lage ein, wie gegenwärtig Juden, Israel und messianische Juden von Christen und christlichen Gemeinden wahrgenommen werden? Was begrüßen Sie, was bedauern Sie und was müsste anders werden?

Das allgemeine Interesse an Israel ist heute bei vielen Christen und ihren Pastoren und Gemeinden sehr differenziert. Bei vielen fehlt das Interesse an Israel und das Engagement für die Juden. Besonders auch im Blick auf die messianischen Juden. Obwohl sie für Christen unsere Brüder und Schwestern im Glauben sind und als jüdischer Teil zur Gemeinde Jesu gehören, werden sie noch immer weithin als „Betriebsunfall der Kirche“ ignoriert, abgelehnt und verleumdet und vom christlich-jüdischen Dialog ausgeschlossen. Das ist ein Schlag unter die Gürtellinie der Gemeinde Jesu und eine Versündigung am Leib Jesu Christi. Das muss endlich aufhören und sich ändern. Die messianischen Juden brauchen unsere Fürbitte und Fürsorge in jeder Weise.

7. Es gibt mittlerweile viele christliche Organisationen in Deutschland, z.B. orientiert am Dialog zwischen Juden-messianischen Juden und Christen, an humanitärer Hilfe (Armuit, Holocaustüberlebenede etc.), an Förderung von gegenseitigem Respekt angesichts der deutschen Unheilsgeschichte im 3. Reich usw., die sich von Deutschland aus für Israel einsetzen. Was meinen Sie, was kann und sollte das “Institut für Israelogie” in Ergänzung zu diesem Kreis an Israel-Freunden zusätzlich bewirken und beisteuern?

Leider sind – wie gesagt – die meisten der bekannten christlichen Israel-Organisationen in Deutschland an einem Dialog und eine Zusammenarbeit mit den mehr als 100 messianischen Gemeinden mit ihren etwa 7000 Gläubigen in Israel nicht interessiert und leisten meines Wissens auch keine religiöse und mildtätige Hilfe für sie. Die Gründe dafür müssten offen gelegt werden.

8. Was erhoffen und wünschen Sie sich für die Zukunft vom Institut?

Vom Institut für Israelogie wünsche und erhoffe ich mir: Bessere und intensivere Kontakte zu dem Messianischen Juden, ihren Gemeinden, Pastoren und Gemeindelei-tern, ihre verstärkte Einbeziehung in die Institutsarbeit in den christlich-jüdischen Dialog auf Israeltagungen und Israelzusammenkünften jeglicher Art. Auch besonders auf Israel-Studien-Reisen! Eine gebotene Vorsicht vor einer Politisierung Israels. Aktive Teilnahme an pro-israelischen Demos. Mit anderen christlichen Israel-Werken einen christlichen Israel-Kongress zu organisieren. Und zugleich ein klares Bekenntnis zu Jesus Christus. Mögen dies auch die erklärten Aufgaben und Ziele des Instituts und aller seiner Studierenden für die kommenden Jahre sein.
Gott segne Sie!

Dr. h.c. Fritz May (Wetzlar)
Ehrendoktor der israelischen Bar Ilan-Universität, Tel Aviv
Jerusalem-Preisträger u. Ehrenbürger des Negev
Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse

Lieber Herr Dr. h.c. Fritz May vielen Dank für das ausführlich Interview!

(mr/tk)

 

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