Licht aus der Finsternis: Chanukkah und Weihnachten im Vergleich

Passend zur aktuellen (jüdischen) Chanukkah (= Lichterfest) und der bevorstehenden (christlichen) Advents- und Weihnachtszeit wollen wir diese beiden Festtraditionen miteinander in Beziehung setzen. Wir wollen verstehen, was diese beiden Feste auf eine eher besinnlichen Weise miteinander verbinden kann. Das Buch von Dr. David Jaffin „Jüdische Feste – christliche Bedeutung“ soll uns teilweise dabei Orientierung geben.

Chanukkah bedeutet „Weihung, Einweihung“ und ist ein jüdisches Fest, das jährlich parallel zur christlichen Adventszeit stattfindet. Chanukka hat keine unmittelbaren Wurzeln in der hebräischen Bibel, dem Alten Testament. Das Fest geht auf die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels nach dem Makkabäeraufstand zurück, der sich gegen hellenisierte Juden und makedonische Syrer im Jahre 164 v. Chr. wandte (vgl. Makkabäerbücher, Talmudüberlieferung).

Der griechisch-hellenisierende Einfluss auf das Judentum begann im 2. Jhdt. v. Chr. immer stärker zu werden. Die Römer waren als große Krieger und Verwalter bekannt, die Griechen für ihr hochstehendes Kulturvolk, welches von sich behauptete, dem Israelischen überlegen zu sein. Diese allgemeine Hochschätzung veranlasste damals auch Juden, sich dem synkretistisch-hellenisierenden Einfluss zu öffnen und dabei Fremdreligiöses in der eigenen Religion zu übernehmen.

Insbesondere Antiochus Epiphanes (215- 164 v. Chr.) führte im jüdischen Tempel in Jerusalem eine Götzenkultstätte ein, wo von da an – aus der Sicht traditioneller Juden – Fremdgöttern geopfert werden sollte. Sein Ziel war es, die Religion und das jüdische Volk allmählich auszumerzen. Dadurch wurde die jüdische Kultur und Religion zunehmend in ihrer Existenz bedroht. Im Zuge dieser sogenannten „Hellenisierung“ und „synkretistischen Säkularisierung“ wurden statt dem Gott Israels griechische Götter verehrt. Der Unterricht in jüdischen Schulen wurde durch griechische Weisheit und Philosophie verfremdet.  Diese religiös-gesellschaftliche „Dunkelheit“ im 2. Jahrhundert v. Chr. wurde durch die Person des Antiochus Epiphanes mit geprägt. Denn er beschränkte sich nicht darauf, das jüdische Volk zu vertilgen. Er wollte auch den jüdischen Glauben beseitigen.

Mattathias Makkabäus (†160 v. Chr.) und seine Familie wagten schließlich einen national und religiös motivierten Aufstand gegen diese Verfremdungen des Jüdischen. Der Tempel wurde zu guter Letzt wieder von der Fremdgötterverehrung gereinigt (25. Kislew im Dezember 164 v. Chr.) und die ‚Griechen‘ wurden durch den Makkabäer-Aufstand auch militärisch besiegt. Man feierte daraufhin eine erneute Tempelweihe zur Ehre des Gottes Israels. Im Zusammenhang mit den Festvorbereitungen fand man (nach der traditionellen Überlieferung) im Tempel genügend Öl vor, um den siebenarmigen Leuchter für einen Tag brennen zu lassen. Das Öl reichte jedoch sogar auf wunderbare Weise für acht Tage.

Vor der Wiedereinweihung des Tempels nach dem Sieg über die Griechen existierte tiefe Resignation in der Gesellschaft, quasi so etwas wie eine „resignative Dunkelheit“. Ähnlich mag es zur Zeit Jesu gewesen sein. Man hoffte zu dieser Zeit ebenfalls auf eine Befreiung, diesmal von der römischen Fremdherrschaft. Immerhin ist hervorzuheben, dass zur Zeit Jesu die Pharisäer noch auf den verheißenen Messias warteten, wohingegen zur Zeit der Beeinflussung durch die ‚Griechen‘ offensichtlich kein inniges Suchen mehr nach dem Gott Israels bestanden hatte.

In gewisser Weise kann man die sogenannten „Makkabäer“ als Befreier verstehen, wie auch Jesus später als Befreier oder Erlöser wirkte, wenn auch ganz anders als Israel es damals erwartet hatte (Lk 24,13-27.44-47 u.a.). Die Makkabäer befreiten Israel politisch und auch religiös. Im Bild gesprochen, Licht brach auf in der Dunkelheit. Wenn ihre Befreiung auch nur vorläufig und im Verhältnis nicht vergleichbar war mit der Befreiung, die durch Jesus am Kreuz vollbracht wurde, so war sie doch für das Überleben des jüdischen Volkes und des jüdischen Glaubens von großer Bedeutung und sie prägte die Erwartungen der Juden noch zur Zeit Jesu.

Nach dem Makkabäeraufstand gab es für eine kurze Zeit wieder einen politischen Staat, der auch in jüdisch-religiöser Hinsicht bedeutsam war. Der Tempel war ja immerhin vom Heidnischen „gereinigt“ worden.

Josephus beschreibt Chanukkah wie folgt: „Chanukkah [ist] zu einem Lichtfest geworden.“ Die acht Flammen des Chanukkah-Leuchters stehen für das Licht (= neue Verehrung des Gottes Israels), das über die Dunkelheit (= heidnische Verunreinigung des Kults) anbricht. Allerdings, nachdem die Unterdrückung vorüber war, kam es erneut zum Streit unter den Juden. Schon Churchill urteilte (mit einem Augenzwinkern): „30 Juden – 31 Parteien.“

Jaffin beschreibt die Einheit, die durch die Makkabäer möglich wurde und vergleicht diese mit der Einheit, die in Jesus möglich wurde. Christus selbst demonstrierte quasi die Einheit Israels. Er war für Israel im gesamten Land unterwegs und erwählte dort 12 Jünger, auch als Zeichen der Wiederherstellung der 12 Stämme. Denn zur Zeit Jesu existierten faktisch nur noch die Stämme Juda, Benjamin sowie die Leviten.

Wie zu der Zeit der Makkabäer „Dunkelheit“ als Metapher für den geistlichen Zustand und für den synkretistischen Abfall von Gott bedeutsam war, so wird sie auch für die Ereignisse um Weihnachten herum, der Menschwerdung Gottes im Stall von Bethlehem (Lk 2 und Mt 1-2), vorausgesetzt. Und auch in der Predigt Jesu, der Bergpredigt, die von ihren Ansprüchen her enorm herausforderte, betonte Jesus, dass ein Mensch „vollkommen“ sein müsse, wie Gott. Den zuhörenden Juden damals wurde deutlich, dass das Erreichen dieses Ziels im Grunde nicht möglich ist.

Die Dunkelheit erreichte ihren Höhepunkt in den drei Stunden der völligen Finsternis bei der Kreuzigung Jesu auf Golgatha. Jaffin drückt das wie folgt aus: „Die alte Schöpfung liegt im Sterben mit Gott, weil wir Gottes Mörder sind.“

Der letzte Prophet Johannes, der sein Volk zur Umkehr aufruft, spiegelt Israels Zustand wider: So wie er umgebracht wurde und seine Zeit vorüber war, so ist auch Israels Zeit vorläufig beendet. Israel wird einen Leidensweg gehen müssen, bis die Zeit der Heiden zu ihrem Ziel und Ende kommen wird (Lk 21). Dann „wird ganz Israel errettet werden“ (Röm 11,26). Dann wird es „Licht“ werden durch Jesus, auch für Israel.

Jesus will uns mit dem Vater versöhnen. Dies konnte nur geschehen, indem er die Bergpredigt für uns im Buchstaben und im Geist erfüllte. Christus erfüllte die Forderungen der Bergpredigt stellvertretend für uns. Er trägt an „unserer Stelle“ unser Gericht und unsere Verurteilung: „Verflucht ist der, der am Holze hängt.“ Es wird zugleich ausdrücklich gesagt, dass Jesus ein Licht (= Befreier und Heilsbringer) für alle Völker ist. Aber auch für Juden, auch für Israel.

Dr. David Jaffin schreibt sinngemäß: Wenn sich Israel einmal bekehren wird, so werden die Israeliten in der Tiefe erfassen können, was die Verbundenheit zum gekreuzigten und auferstandenen Messias Jesus (= Christus) bedeutet. Dann wird es auch für Juden das echte und das für sie neue „Jesus-Lichterfest“ geben – so könnte man es ausdrücken – ein Lichterfest, das Israel dazu bringen wird, den Befreier und Heilsbringer Jesus als Licht der Welt zu verehren und anzubeten.

Jaffin zieht auch Parallelen zwischen der Leidensgeschichte Jesu und dem Leid des jüdischen Volkes. Dabei wird deutlich: Je mehr man sich mit dem Alten Testament und den jüdischen Feiertagen beschäftigt, desto genauer sieht man, wie sich Jesus ‚gleichnishaft‘ seinem erstgeliebten Volk bezeugt. Es wird ein besonderes Geschenk sein, wenn das jüdische Volk den Messias dann künftig erkennen wird (vgl. auch Röm 11,26-29) – eben den, den sie durchbohrt haben – und es daraufhin die Welt missionieren wird.

Wenn heute das Lichterfest gefeiert wird, so lautet das Gebot, dass der Chanukkah-Leuchter ins Auge stechen soll. Häufig findet man die Leuchter auf Fensterbänken, neben dem Hauseingang gegenüber der Mesusa (Schriftkapsel mit Glaubensbekenntnis der Juden) oder an zentralen Stellen in einem Haus wieder.

Das Fest dauert acht Tage lang, an jedem Tag wird eine weitere Kerze mit dem Schamasch (= Diener, eine Art Hilfskerze um die anderen Kerzen anzünden zu können) angezündet. Das Lichterfest ist heute ein Gemeinschaftsfest der Familie, man kommt zusammen, spricht Gebete, singt Lieder und erzählt die Chanukkah-Geschichte. Kinder bekommen häufig Süßigkeiten, man spielt Dreidel (= Kreisel). Auf diesem Kreisel stehen vier hebräische Buchstaben (Nun, Gimel, He, Schin), die jeweils für ein Wort stehen: Nes Gadol Haja Po = „Ein großes Wunder geschah hier.“ Der Tradition nach erinnert dieser Kreisel an die Zeit von Antiochus Epiphanes, als es Eltern untersagt war, ihren Kindern von ihrem jüdischen Glauben zu erzählen. Trotz Verbot lehrten die Eltern ihre Kinder, und wurden sie von der syrischen Patrouille unerwartet kontrolliert, so spielten die Kinder als Tarnung mit dem Dreidel.

Heute erfreut man sich an dem großen Wunder, an die Befreiung von der Unterdrückung und dass das Öl im Tempel acht Tage lang ausreichte. Um wie viel mehr dürfen wir uns als Christen in der Adventszeit auf Weihnachten freuen. Der Prophet Jesaja sagte: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt …“ (Jes 60,1). Unser Licht ist gekommen, gepriesen sei der Herr! Wir dürfen uns nicht nur an dem Chanukkah-Wunder erfreuen, vielmehr erfreuen wir uns an Jesus Christus, er wohnt jetzt in uns und nicht mehr im Tempel (Joh 2,19ff.)

Die Adventszeit kann auch für uns zu einer besonderen Zeit werden, denn „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.“ (Joh 1,9). Welch ein Vorrecht, wir dürfen Christus danken und loben, der Messias ist gekommen und wurde Licht, damit wir leuchten können – nehmen wir dieses Angebot an?

(mr)

 
Quellen:
 
Jaffin, David, Jüdische Feste- christliche Deutung, 2. leicht überarbeitete Auflage 1993
http://de.wikipedia.org/wiki/Weihnachten   
http://de.wikipedia.org/wiki/Chanukka
http://de.wikipedia.org/wiki/Dreidel
 

Zurück